Einführungsphase, Unterrichtsbeispiel: "Refugees welcome - Willkommen in Deutschland!? Politische Grundlagen und Kontroversen in der Asyl- und Flüchtlingspolitik als Herausforderung für die Demokratie"
Unterrichtsbeispiel
Einführungsphase, konkretisiertes Unterrichtsvorhaben: Refugees welcome - Willkommen in Deutschland? Politische Grundlagen und Kontroversen in der Asyl- und Flüchtlingspolitik als herausforderung für die Demokratie (orientiert am Kernlehrplan Sozialwissenschaften und Sozialwissenschaften/Wirtschaft mit dem Schwerpunkt Sozialwissenschaften für die Sekundarstufe II Gymnasium/Gesamtschule in Nordrhein-Westfalen).
Übergeordnete Kompetenzen:
Sachkompetenz:
Die Schülerinnen und Schüler
- analysieren exemplarisch gesellschaftliche Bedingungen (SK 1),
- erläutern exemplarisch politische, ökonomische und soziale Strukturen, Prozesse, Probleme und Konflikte (SK 2),
- stellen in Ansätzen Anspruch und Wirklichkeit von Partizipation in gesellschaftlichen Prozessen dar (SK 4),
- analysieren exemplarisch Veränderungen gesellschaftlicher Strukturen und Lebenswelten sowie darauf bezogenes Handeln des Staates und von Nichtregierungsorganisationen (SK 5).
Methodenkompetenz:
Die Schülerinnen und Schüler
Verfahren sozialwissenschaftlicher Informationsgewinnung und -auswertung
- erschließen fragegeleitet aus sozialwissenschaftlich relevanten Textsorten zentrale Aussagen und Positionen sowie Intentionen und mögliche Adressaten der jeweiligen Texte und ermitteln Standpunkte sowie Interessen der Autoren (MK 1).
Verfahren sozialwissenschaftlicher Analyse und Strukturierung
- analysieren unterschiedliche sozialwissenschaftliche Textsorten wie kontinuierliche und diskontinuierliche Texte (u.a. positionale und fachwissenschaftliche Texte, Fallbeispiele, Statistiken, Karikaturen sowie andere Medienprodukte) aus sozialwissenschaftlichen Perspektiven (MK 4),
- ermitteln mit Anleitung in themen- und aspektgeleiteter Untersuchung die Position und Argumentation sozialwissenschaftlich relevanter Texte (Textthema, Thesen/Behauptungen, Begründungen, dabei insbesondere Argumente und Belege, Textlogik, Auf- und Abwertungen – auch unter Berücksichtigung sprachlicher Elemente –, Autoren- bzw. Textintention) (MK 5).
Verfahren sozialwissenschaftlicher Darstellung und Präsentation
- stellen themengeleitet exemplarisch sozialwissenschaftliche Fallbeispiele und Probleme in ihrer empirischen Dimension und unter Verwendung passender soziologischer, politologischer und wirtschaftswissenschaftlicher Fachbegriffe und Modelle dar (MK 6),
- präsentieren mit Anleitung konkrete Lösungsmodelle, Alternativen oder Verbesserungsvorschläge zu einer konkreten sozialwissenschaftlichen Problemstellung (MK 7),
- setzen Methoden und Techniken zur Präsentation und Darstellung sozialwissenschaftlicher Strukturen und Prozesse zur Unterstützung von sozialwissenschaftlichen Analysen und Argumentationen ein (MK 9).
Urteilskompetenz:
Die Schülerinnen und Schüler
- ermitteln in Argumentationen Positionen bzw. Thesen und ordnen diesen aspektgeleitet Argumente und Belege zu (UK 1),
- ermitteln in Argumentationen Positionen und Gegenpositionen und stellen die zugehörigen Argumentationen antithetisch gegenüber (UK 2),
- entwickeln auf der Basis der Analyse der jeweiligen Interessen- und Perspektivleitung der Argumentation Urteilskriterien und formulieren abwägend kriteriale selbstständige Urteile (UK 3),
- beurteilen exemplarisch politische, soziale und ökonomische Entscheidungen aus der Perspektive von (politischen) Akteuren, Adressaten und Systemen (UK 4),
- beurteilen exemplarisch Handlungschancen und -alternativen sowie mögliche Folgen und Nebenfolgen von politischen Entscheidungen (UK 5),
- erörtern exemplarisch die gegenwärtige und zukünftige Gestaltung von politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen nationalen Strukturen und Prozessen unter Kriterien der Effizienz und Legitimität (UK 6).
Handlungskompetenz:
Die Schülerinnen und Schüler
- praktizieren im Unterricht unter Anleitung Formen demokratischen Sprechens und demokratischer Aushandlungsprozesse und übernehmen dabei Verantwortung für ihr Handeln (HK 1),
- entwerfen für diskursive, simulative und reale sozialwissenschaftliche Handlungsszenarien Handlungspläne und übernehmen fach-, situationsbezogen und adressatengerecht die zugehörigen Rollen (HK 2),
- entwickeln in Ansätzen aus der Analyse wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und sozialer Konflikte angemessene Lösungsstrategien und wenden diese an (HK 3),
- nehmen unter Anleitung in diskursiven, simulativen und realen sozialwissenschaftlichen Aushandlungsszenarien einen Standpunkt ein und vertreten eigene Interessen in Abwägung mit den Interessen anderer (HK 4),
- beteiligen sich simulativ an (schul-)öffentlichen Diskursen (HK 5).
Inhaltsfeld:
IF 2 (Politische Strukturen, Prozesse und Partizipationsmöglichkeiten), IF 3 (Individuum und Gesellschaft)
Inhaltliche Schwerpunkte:
- Verfassungsgrundlagen des politischen Systems
- Demokratietheoretische Grundkonzepte
- Kennzeichen und Grundorientierungen von politischen Parteien sowie NGOs
- Gefährdungen der Demokratie
- Sozialisationsinstanzen
- Verhalten von Individuen in Gruppen
Fachdidaktische Idee:
In einem ersten Zugriff auf den Themenbereich „Zuwanderung“ sollen in diesem Unterrichtsvorhaben zu Beginn der ersten Sequenz Erfahrungen, Voreinstellungen, mentale Konzepte sowie Kritik oder auch Vorurteile der Schülerinnen und Schüler in Bezug auf das Themenfeld „Zuwanderung“ sichtbar gemacht werden. Diese sollten sinnvoller Weise auf einem Plakat festgehalten werden, so dass sie den Fortgang der weiteren Unterrichtsreihe begleiten und an geeigneter Stelle in einem fundierten Sachkontext noch einmal aufgegriffen und diskutiert sowie überprüft werden können. So werden auf der Grundlage des Ampel- oder Entscheidungsspiels von den Schülerinnen und Schülern bereits in der Einstiegsphase Problembereiche formuliert, die zu den konstituierenden Bausteinen des Unterrichtsvorhabens gehören. Als äußerst motivierende Unterrichtsmethoden für den Einstieg bieten sich daher entweder das Ampel- oder alternativ auch das Entscheidungsspiel (s. Methodenkarten und Thesen) an. Je nach Verlauf des Ampel- oder Entscheidungsspiels könnten z.B. folgende Problem- bzw. Leitfragen festgehalten werden: Ist Deutschland ein Einwanderungsland? Warum kamen 2015 so viele Flüchtlinge nach Deutschland? Wer bekommt überhaupt Asyl? Welche politischen Positionen vertreten die Parteien in der Asyl- und Flüchtlingspolitik? Welche Chancen und Probleme birgt die Zuwanderung nach Deutschland und für wen? Wie entsteht Rechtsextremismus? Wie kann Integration gelingen?
Anschließend bedarf es einer Erarbeitung von Sachkompetenz im Hinblick auf die Grundlagen der Asyl- und Flüchtlingspolitik in der BRD, indem sich die Schülerinnen und Schüler aktuelle Zahlen und Fakten zur Migration nach Deutschland, z.B. durch die Analyse von Statistiken des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF), erschließen. Dass sich hinter den Statistiken sehr unterschiedliche Schicksale, Ziele und Wünsche verbergen können, reflektieren die Schülerinnen und Schüler durch die Ergründung verschiedener Migrationsursachen anhand von Fallbeispielen. So lernen sie auch unterschiedliche Selbstverortungs- und Identitätskonzepte kennen, die einen soziologischen Blick auf die Lebenssituation von Migrantinnen und Migranten zulassen. In Bezug auf die unterschiedlichen Migrantengruppen erlangen die Schülerinnen und Schüler – durch die Analyse ausgewählter Rechtstexte des Grundgesetzes, der Genfer Flüchtlingskonvention und des Dublin II-Abkommens – schließlich einen Überblick über die Bedingungen des Asylrechts in Deutschland und in der EU. Im Zuge dessen können auch der Beschluss des Asylpakets II sowie die "Sichere-Herkunftsstaaten"-Regelung bewertet werden.
Demokratietheoretische Grundkonzepte und die Rolle der Verfassungsinstanzen in der Asyl- und Flüchtlingspolitik werden dann in der zweiten Sequenz thematisiert, indem zwei unterschiedliche Formen der demokratischen Entscheidungsfindung durch den Vergleich direkter und repräsentativer Demokratie im Rahmen eines Streitgesprächs oder einer Fish-Bowl-Diskussion gegenübergestellt und diskutiert werden.
In der dritten Sequenz steht daraufhin der Vergleich von Programmaussagen unterschiedlicher Parteien und NGO's in Bezug auf die Asyl- und Flüchtlingspolitik im Fokus des Unterrichtsgeschehens. Dazu bietet sich eine Internetrecherche an, im Zuge derer die Schülerinnen und Schüler in Kleingruppen Informationsplakate oder Powerpointpräsentationen zu den unterschiedlichen Positionen von Parteien und Nichtregierungsorganisationen erstellen und präsentieren. Sie erhalten grundlegendes Wissen über das parteipolitische Spektrum und können die Verfassungskonformität der Parteien beurteilen.
Die Aufgaben der Medien in der Demokratie können mit dem Thema "Zuwanderung" verknüpft werden, indem z.B. auf Grundlage der Allensbach-Studie die Frage aufgeworfen wird, inwiefern die Medien zu einseitig in der Asyl- und Flüchtlingspolitik berichten und welche Funktionen sie übernehmen sollten. Hierzu bietet sich ggf. die Durchführung einer Diskursanalyse an, im Rahmen derer die Schülerinnen und Schüler über einen begrenzten Zeitraum von circa zwei Wochen hinwegarbeitsteilig regionale und überregionale Zeitungen, Blogs, Social Media-Seiten und Youtube-Kanäle analysieren und die Verwendung wiederkehrender Bilder und Begrifflichkeiten in ihrer Wirkung untersuchen. Die Ergebnisse können anschließend in Form einer "Wortwolke" zusammengetragen und präsentiert werden, wobei die Gefahr sprachlicher Verrohung für das friedliche Zusammenleben in einer multikulturellen Gesellschaft hervorzuheben ist.
Wie Ausländerfeindlichkeit entsteht, ob die AfD eine Gefahr für die Demokratie darstellt und was gegen Rechtsextremismus getan werden kann, diskutieren die Schülerinnen und Schüler schließlich in der fünften Sequenz. Neben der Möglichkeit eines Parteienverbots können dabei auch eigene Maßnahmen „gegen Rechts“ entwickelt und präsentiert werden.
Zum Abschluss der Unterrichtsreihe können die Schülerinnen und Schüler zur Frage, wie in Deutschland mit der steigenden Zahl an Asylbewerberinnen und Asylbewerbern umgegangen werden sollte, eine Aktion durchführen, z.B. eine Expertenbefragung, eine Plakataktion, die Erstellung von Online-Medienprodukten oder das Verfassen eines Leserbriefs. Dadurch könnten zum einen das in der Reihe erworbenes Wissen vertieft und zum anderen Engagement und Handlungskompetenz innerhalb der Lerngruppe gefördert werden.
Thema / Problem bzw. Erschließ-ungsfrage(n) |
Fachdidaktische Idee(n) / Inhalte des Lern- und Arbeits-prozesses |
Diagnostik/ Methoden der Lernevaluation |
Kompetenzen, zugleich Evaluationsindikatoren |
Materialbasis |
Sequenz 1: Grundlagen der Asyl- und Flüchtlingspolitik in Deutschland | ||||
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Wie stehe ich zu Fragen der "Zuwanderung"? |
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Übergeordnete Kompetenzen:
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Deutschland - ein Einwanderungsland? Zahlen und Fakten zu Migration und Asyl 2015 |
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Warum kommen Menschen nach Deutschland? Erarbeitung von Migrationsursachen |
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Wer bekommt überhaupt Asyl? Überblick über die rechtlichen Grundlagen auf Basis des Grundgesetzes (Artikel 1 und 16a), des Asylpakets II, der Genfer Flüchtlings-konvention und des Dublin II-Abkommens |
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Konkretisierte Kompetenzen:
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Grundlagen des Asylrechts in Deutschland: |
Die "Sichere-Herkunftsstaaten"-Regelung: Aushöhlung des Asylrechts oder notwendige Einstufung zur Regulierung der Zuwanderung? |
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Diskussion über die Sichere - Herkunftsstaaten - Regelung |
Wie regelt die Bundesregierung Integration? Grundzüge des Integrationsgesetzes |
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Sequenz 2: Demokratietheoretische Grundkonzepte und die Rolle der Verfassungsinstanzen in der Asyl- und Flüchtlingspolitik | ||||
Welche Aufgaben haben überhaupt die Verfassungsorgane in der BRD? |
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Übergeordnete Kompetenzen:
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Hat die Regierung unter Kanzlerin Merkel in der Asyl- und Flüchtlingspolitik am Bundestag vorbei entschieden und ihre Kompetenzen überschritten? Wer sollte in der Asyl- und Flüchtlingspolitik entscheiden? Direkte und repräsentative Demokratie im Vergleich |
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Könnte und sollte es in Deutschland einen Volksentscheid in der Frage über die Gestaltung (z.B. Regulierung) von Zuwanderung geben? |
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Konkretisierte Kompetenzen:
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Volksentscheide zum Thema Flüchtlingspolitik: |
Sequenz 3: Die Positionen der Parteien und NGO's zur Asyl- und Flüchtlingspolitik | ||||
Welche Positionen vertreten die Parteien und NGO's in der Asyl- und Flüchtlingspolitik? |
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Übergeordnete Kompetenzen:
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Informationen zu den politischen Positionen der Parteien:
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Wie stehen die Parteien und NGO's gegenüber dem Asylpaket II? |
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a) Programmaussagen der Parteien online zu finden unter den Schlagwörtern „Zuwanderung“, „Einwanderung“, „Migration“ und „Asyl“ |
Stimmen die Forderungen der Parteien mit dem Grundgesetz überein? Einordnung der Parteien und Überprüfung ihrer Verfassungs-konformität auf Grundlage der Artikel 1 bis 20 GG |
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Konkretisierte Kompetenzen:
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Sequenz 4: Die mediale Berichterstattung über die Asyl- und Flüchtlingspolitik | ||||
Berichtet die Presse einseitig über die Asyl- und Flüchtlingspolitik? Aufgaben und Funktionen der Medien in der Demokratie |
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Übergeordnete Kompetenzen:
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Die Macht der Bilder: Bestimmen sie die öffentliche Meinung in der Asyl- und Flüchtlingspolitik? |
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"Flüchtlingskrise, -flut oder -strom"! - Welche Folgen hat der Gebrauch (ab-) wertender Begriffe in der deutschen Asylpolitik? |
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Konkretisierte Kompetenzen:
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Sequenz 5: Rechtsextremismus als Herausforderung und Gefahr für die Demokratie | ||||
Wie entstehen Ausländerfeindlichkeit und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit? |
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Übergeordnete Kompetenzen:
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Gibt es typische rechtsradikale bzw. extreme Biographien? |
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Wann spricht man überhaupt von Rechtsextremismus? |
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Ist die NPD eine Gefährdung für unsere Demokratie? ggf.: Sollte auch gegen die AfD ein Parteiverbotsverfahren eingeleitet werden? |
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Was kann man gegen Rechtsextremismus tun? |
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Konkretisierte Kompetenzen:
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Ausblick: |
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Mögliche methodische Zugänge:
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Zeitbedarf: insgesamt ca. 24 Std.
Weitere Materialien zur Unterrichtsgestaltung
Vertiefendes Material:
- Rechtliche Grundlagen des Dublin-Verfahrens (Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein)
Diskussion über die Berichterstattung in der Asyl- und Flüchtlingspolitik:
Maßnahmen gegen Rechtsextremismus:
Diskussion zum deutschen Integrationsgesetz: