Geschlechterfragen als Unterrichtsinhalt
Eine explizite Strategie geschlechtersensibler Bildung besteht darin, Geschlechterfragen im Unterricht zu behandeln. Geschlechteraspekte sind in vielen Fachinhalten von Bedeutung und verbindlich in unterschiedlichen Inhaltsfeldern und Kompetenzerwartungen der Kernlehrpläne und Bildungspläne verankert. Andere Inhaltsfelder und Kompetenzerwartungen sehen eine Auseinandersetzung mit Geschlechterfragen zwar nicht ausdrücklich vor, je nach Thema, Kontext und Lerngruppe können sie sich jedoch als exemplarische Unterrichtsgegenstände anbieten oder als Querschnittsthema von fachlicher Relevanz sein.
Den Fächern der Gesellschafts- und Arbeitslehre und des sprachlich-literarisch-künstlerischen Lernfeldes sowie dem Fach Religion kommt bei der inhaltlichen Auseinandersetzung mit Geschlechterfragen und der damit verbundenen altersgerechten Förderung gleichstellungsorientierter Haltungen und Kompetenzen eine besondere Bedeutung zu. Denn viele soziale, politische, ökonomische, mediale, künstlerische und weltanschaulich-religiöse Bereiche und Räume sind bis heute durch relevante Geschlechterunterschiede und -stereotype geprägt – sowohl in Deutschland als auch im internationalen Kontext. Hierzu zählen beispielsweise Fragen der Einkommensverteilung, der Berufswahl, der beruflichen und häuslichen bzw. familiären Arbeitsverteilung, der Bildungschancen sowie der Repräsentanz der Geschlechter in Ämtern und Führungspositionen. Des Weiteren sind mediale und künstlerische Geschlechterdarstellungen, Fragen der Geschlechtersozialisation und geschlechtergerechter Sprache, geschlechterbezogene Gewalt, alltäglicher Sexismus sowie Homo- und Transphobie von Bedeutung. Es bietet sich an, bei jedem Unterrichtsthema zu prüfen, inwiefern Geschlechteraspekte eine inhaltlich relevante Rolle spielen und unter Berücksichtigung der Lehr- und Bildungspläne sowie weiterer fachdidaktischer Gesichtspunkte im Unterricht behandelt werden sollten. Je nach Thema und Lernstand der Kinder und Jugendlichen kann es auch sinnvoll sein, sie selbst zu einer Prüfung von Geschlechterrelevanz anzuregen.
Auch in MINT-Fächern und im Sportunterricht können Geschlechterfragen aufgegriffen und Geschlechterstereotype reflektiert werden. Mögliche Themen sind Geschlechteraspekte in den Bereichen Gesundheit und Körperbild sowie Geschlechterungleichheiten in Wissenschaft und Forschung.
Wenn Geschlechterunterschiede im Unterricht bewusst angesprochen werden, stellt dies eine explizite Strategie und ein dramatisierendes Vorgehen dar. Dann sind auch entdramatisierende Ansätze unerlässlich. Dazu zählt, Geschlechteraspekte differenziert und in ihrer Vielfältigkeit zu betrachten. Neben möglichen Geschlechterunterschieden werden Gemeinsamkeiten der Geschlechter sowie weitere relevante Kategorien und individuelle Faktoren einbezogen. Hierfür ist eine – dem Alter und Lernstand der Kinder und Jugendlichen angemessene – wissenschaftsorientierte Herangehensweise empfehlenswert: Sachverhalte werden differenziert anhand von Statistiken, verschiedenen Perspektiven und unterschiedlichen Beispielen erarbeitet. Des Weiteren werden gesellschaftlich geprägte und somit veränderbare Ursachen von Geschlechterunterschieden thematisiert.
Neben einer theoriebasierten Behandlung sind auch praktisch-kreative Elemente wichtig, zum Beispiel durch Theaterspielen oder das Produzieren von Podcasts und Videos zu Geschlechterthemen. Theorie und Praxis werden mit Blick auf die konkrete Lerngruppe und die individuellen Lernenden sinnvoll miteinander verknüpft. Es ist je nach Kontext auch lohnenswert, die eigenen Erfahrungen der Lernenden sowie Geschlechteraspekte im Verhalten der Lerngruppe und beim Classroom Management zu reflektieren.
Literatur
- Kampshoff, Marita/Wiepcke, Claudia (Hrsg.) (2012): Handbuch Geschlechterforschung und Fachdidaktik, Wiesbaden.
Publikationen
- Veröffentlichung "Pädagogische Orientierung für eine geschlechtersensible Bildung in Schulen in Nordrhein-Westfalen"
- Buch "Gendersensible Bildung und Erziehung in der Schule" in der QUA-LiS Publikationsreihe Beiträge zur Schulentwicklung
Im Kontext
Ansprechpartnerin:
Ilke Glockentöger
E-Mail 02921/683-3022
In der QUA-LiS arbeitet eine Kommission mit Lehrkräften aus NRW zu geschlechtersensibler Bildung in der Schule. Bei Interesse an einer Mitarbeit melden Sie sich bitte bei Ilke Glockentöger.