Logo Qualitäts- und UnterstützungsAgentur

Startseite Bildungsportal NRW

Orientierungsbereich (Sprungmarken)

Grundlagen zur Kompetenzorientierung im Sportunterricht

„Die individuelle Kompetenzentwicklung der Schülerinnen und Schüler steht im Zentrum der Planung und Gestaltung der Lehr- und Lernprozesse.“ (Referenzrahmen Schulqualität NRW (MSB, 2020, S.30)

Die Referenzdefinition für den Kompetenzbegriff, auf die sich die KMK verständigt hat, stammt von Weinert (2001) und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können.“

Die Definition verdeutlicht, dass Kompetenz ein Gefüge und etwas Komplexes ist. Was unterscheidet die Kompetenzen von den vertrauten Lernzielen? Lernziele setzt die Lehrkraft, über Kompetenzen verfügen die Lernenden. Lehrkräfte können Ziele erreichen, Lernende können Kompetenzen entwickeln und Lehrkräfte können deren Entwicklung fördern.

 

In der Kurzform Kompetenz = Wissen + Wollen + Handeln der Definition wird deutlich, dass Kompetenz immer auch die Performanz (das Tun und Handeln) einschließt. Man muss es nicht nur können, man muss es auch zeigen. Das Zeigen geschieht ebenso wie das Erlernen im Handeln. Kompetenzen werden durch Handeln und im Handeln sichtbar. Aber man muss es auch wollen. Motivation, Interesse, Einstellungen, Verantwortungsbewusstsein, Lernwille, also die in der Definition von Weinert genannten motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten werden jedoch nur bedingt im Handeln, wenn überhaupt, sichtbar.

Merkmale kompetenzorientierten Sportunterrichts

Individualisierung des Lernens

Sollen Schülerinnen und Schüler mit unterschiedlichsten Lernausgangslagen ein vergleichbares mittleres Kompetenzniveau entsprechend der Kompetenzerwartungen erreichen, müssen der individuelle Lernstand und die subjektiven Lernvoraussetzungen (Stärken und/oder Hindernisse, die Lernen fördern oder hemmen) zunächst diagnostiziert werden. Aus dem Ergebnis dieser Diagnose sollten differenzierte bzw. individualisierte Zielniveaus, Lernwege, Lernzeiten und Unterstützungsformen passgenau abgeleitet und berücksichtigt werden, um die angestrebten Kompetenzen individuell anzusteuern.

In der Praxis bedeutet dies nicht, dass tatsächlich immer für jede Schülerin oder jeden Schüler ein eigener andersartiger Lernweg ermittelt und angeboten werden muss. Das ist bei den vorhandenen Ressourcen unrealistisch. Es ist aber möglich sehr fundierte differenzierte Angebote für Kleingruppen mit ähnlichen Voraussetzungen zu gestalten und so dem Ideal der Individualisierung nahe zu kommen.

 

Maßnahmen zur Umsetzung individualisierten Lernens

Zur Diagnose … des Lernstandes, z.B.

  • gezielte kriteriengeleitete Beobachtung
  • Selbst- und Fremdeinschätzungsbögen zur Motorik, zu Kenntnissen, zu Methoden... (u.a. "Kann-Blätter")
  • motorische Tests
  • Portfolio oder Lerntagebuch

Zur Diagnose … der Lernhintergründe, z.B.

  • Beobachtungen
  • diagnostische Gespräche
  • bei Bedarf gezielte Einschätzungsbögen zu z.B. Angst, Motivation, Methoden Knowhow etc.
  • bei Schülerinnen und Schülern mit speziellen Förderbedarfen sind professionelle Diagnosen, Förderpläne u. ä. in der Regel vorhanden

Zur Differenzierung der Lernarrangements, z.B.

  • Stationenlernen, um unterschiedliche Lernwege und/oder Lernzeiten zu ermöglichen
  • Einsatz von Hilfekarten zur Unterstützung oder zur Erweiterung
  • Lerntheke
  • Arbeit in differenzierten Kleingruppen

 

 

Problemorientierung

Eine Entwicklung der Problemlösefähigkeit erfordert, eine Auseinandersetzung der Lernenden mit anregenden, sinnstiftenden und wirklich herausfordernden Anforderungssituationen, die bestimmte Problem- oder Fragestellungen deutlich erkenn- oder erfahrbar werden lassen.

Die Auswahl und Gestaltung solcher Anforderungssituationen wird sowohl durch die Lernvoraussetzungen der Lernenden als auch durch die unterrichtlichen Zusammenhänge bestimmt.

Indikatoren für geeignete Problemstellungen

 

Selbststeuerung

Die Lernenden sollen zunehmend in Entscheidungen und Gestaltungsprozesse für ihr eigenes Lernen einbezogen werden. Die damit angestrebte Selbststeuerung des eigenen Lernens muss sukzessiv und progressiv den Fähigkeiten und dem Entwicklungsstand entsprechend eingeführt und erarbeitet werden.

Maßnahmen zur Umsetzung selbstgesteuerten Lernens

  • Die Lernenden verständigen sich mit der Lehrkraft über das Gesamtziel des Vorhabens für die Lerngruppe und differenzieren ggf. ihre individuellen Zielsetzungen und Lernwege.
  • Die Lehrkraft berät unterstützend, aber so wenig wie möglich einengend.
  • In geeigneten Lernarrangements verfolgen die Lernenden ihren Lernweg systematisch, kennen eigene Stärken und nutzen diese.
  • Zur Überprüfung des Lernerfolgs entwickeln sie selbständig geeignete Kriterien und dazugehörige Indikatoren und kontrollieren den Lernerfolg z.B. durch Selbstbeobachtungsbögen oder mit Hilfe von Partnerkorrekturen.
  • In Reflexionsphasen finden ein Austausch und eine Beurteilung statt; einerseits über die vereinbarten Arbeitsergebnisse, andererseits aber auch auf der Metaebene über den Lernprozess.

Indikatoren zur Selbststeuerung

 

Stärkenorientierung

Um die Lernenden zu motivieren und ihnen Mut zu machen, auch bei auftretenden Schwierigkeiten beharrlich weiterzuarbeiten, müssen Lehrerinnen und Lehrer Vertrauen in die Potentiale und Stärken ihrer Schülerinnen und Schüler haben und dieses Zutrauen auch durch eine empathische Kommunikation vermitteln. Dazu müssen Lehrende und Lernende die Potentiale und die möglichen Lernhemmnisse möglichst passgenau kennen und einen bereits früher erarbeiteten Schatz an Erfahrungen, Lernstrategien und Methoden als Pool nutzen, aus dem der individuelle Lernweg in einer dialogischen Beratung abgeleitet werden kann.

Daneben ist wesentlich, dass in Phasen selbstgesteuerten Lernens Fehler nicht nur erlaubt sind, sondern sogar notwendig sein können. Solche Phasen des Lernens, in denen Fehler nicht sanktioniert werden, müssen daher deutlich von Phasen des Leistens und der Leistungsüberprüfung abgegrenzt und transparent gemacht werden.

Indikatoren für Stärkenorientierung

Strategieebenen des Lernens

Um das Niveau eines oberflächlichen Kurzzeitwissens und -könnens zu übersteigen und die gewünschte Nachhaltigkeit und den Anwendungsbezug zu gewährleisten, bietet das Lernen auf den folgenden unterschiedlichen Strategieebenen eine weitere Möglichkeit.

Indikatoren für das Lernen auf unterschiedlichen Strategieebenen

Motorisch – kognitive Strategien

beziehen sich auf das Erlernen und die Verfügbarkeit rein inhaltlich-sachbezogener fachlicher Kenntnisse und Fertigkeiten/Fähigkeiten („Wissen“ und „Können“ erwerben). Dies ist eine unverzichtbare Grundlage für jede weitere fachbezogenen Kompetenzentwicklung.

Im Sportunterricht zeigt sich dies im Erlernen von neuen Bewegungsformen und den damit verbundenen fachlichen Kenntnissen.

Emotionale Strategien

beziehen sich auf die individuellen Fähigkeiten, eigene negative Emotionen (z.B. Unlust, Stress) zu dämpfen und positive Affekte zu steigern (z.B. Freude oder Interesse an Herausforderung) bzw. weiterzuentwickeln (Konzentrationsfähigkeit, Beharrlichkeit, Ablenkungsresistenz). Solche Strategien sind wesentlich für die Entwicklung von Motivation und Volition, das heißt, das Wissen und Können einsetzen zu wollen und dies auch zu tun!

Im Sportunterricht lassen sich entsprechende Befindlichkeiten und Motive in entsprechenden Reflexionsphasen thematisieren und bewusst machen, um sinnvolle Alternativen oder Strategien (Zeitmanagement, Perspektivwechsel ...) sowohl für einzelne als auch für die gesamte Lerngruppe zu entwickeln.

Metastrategien

beziehen sich darauf, das „Lernen selbst“ zu reflektieren. Für das gewünschte selbstgesteuerte „Modifizieren“ und „Anwenden“ des erworbenen Wissens und Könnens in neuen Situationen und Herausforderungen ist eine solche Reflexionsfähigkeit über das stattgefundene Handeln (Was wollten wir erreichen? Wie sind wir das angegangen? Wie ist das Ergebnis zu bewerten? Wo waren Probleme?) unverzichtbar!

Im Sportunterricht lässt sich diese Strategieebene ebenfalls in Phasen reflektierter Praxis bearbeiten, wenn in Unterrichtsgesprächen nicht nur die erreichten fachlichen Lern- oder Arbeitsprodukte thematisiert werden, sondern eben auch die konkreten Lernziele, Lernwege und Methoden sowie aber auch Lernschwierigkeiten und Hilfen beurteilt werden.

Ressourcenbezogene Strategien

Die für den Kompetenzerwerb notwendigen Elemente der Motivation und Volition entstehen besonders dann, wenn eine Herausforderung für bewältigbar gehalten wird. Um dies sicher einschätzen zu können, sind Kenntnisse und Beurteilungen über subjektiv verfügbare Ressourcen notwendig, die bei der Planung und Bearbeitung von Lernaufgaben helfen können. Individuelle kognitive und motorische sowie methodische Voraussetzungen, benötigte Zeit und Material müssen realistisch eingeschätzt und mit dem erwarteten Nutzen in Beziehung gesetzt werden, um eine begründete zielführende und ökonomische Aufgabenbearbeitung zu erreichen.

 

 

 

Weiterführende Literatur

Erlemeyer, R. [2016]. Lehr-Lern-Prozesse im Sportunterricht kompetenzorientiert gestalten – Merkmale. In: Fördern und fordern II - Gemeinsames Lehren und Lernen im Sportunterricht. Arnsberg 2016. S. 13 – 19.

Aschebrock, H., Schlecht, E., Zielonka, St. [2012]. Gestaltung eines kompetenzorientierten Unterrichts. In: Forum Sportpädagogik. Band 4. Aachen 2012. S. 185 – 198.

Themenheft Kompetenzorientierung der Zeitschrift Sportunterricht [06/2016]

Zum Seitenanfang

© 2024 Qualitäts- und UnterstützungsAgentur - Landesinstitut für Schule