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Schreiben im sprachsensiblen Fachunterricht

Schreiben als Werkzeug des Lernens bietet im Fachunterricht die Möglichkeit, bildungssprachliche Kompetenzen für Schülerinnen und Schüler sichtbar zu machen und nachvollziehbar zu modellieren. Die folgenden Ausführungen geben Hinweise darauf, wie das Schreiben in den Fachunterricht integriert werden kann. Anhand von Beispielaufgaben werden die Erläuterungen illustriert.

Kognitiv-sprachliche Grundfunktionen als Referenzsystem für Schreibaufgaben

Um Schreibaufgaben erfolgreich zu bearbeiten, brauchen Lehrkräfte und Schülerinnen und Schüler ein gemeinsames Verständnis davon, welche kognitiven Operationen mit welchen sprachlichen Handlungen verbunden sind, die einer Schreibaufgabe zu Grunde liegen. Wenn Schülerinnen und Schüler z.B. im Biologieunterricht die folgende Schreibaufgabe erhalten „Erkläre die passive Immunisierung anhand des Schaubildes.“ (Franken, Pertzel 2019, S. 41), dann müssen sie wissen, was sie tun müssen, um die passive Immunisierung mit Hilfe eines Schaubildes zu erklären und wie sie dies sprachlich deutlich machen: Was macht man, wenn man erklärt?

Lehrkräfte müssen sich vorab fragen, welche Anforderungen sie an den zu schreibenden Text stellen und wie sie diese Anforderungen den Schülerinnen und Schülern transparent machen und ihnen entsprechende Hilfestellung geben. Dazu braucht es ein Referenzsystem. Die bekannten Operatoren-Listen haben sich hier als weniger hilfreich erwiesen. Zumal sie an Schulformen ohne die Möglichkeit zum Abitur auch wenig bekannt sind.

Die kognitiv-sprachlichen Grundfunktionen, die Vollmer und Thürmann als Gemeinsamkeit aller Fächer herausgearbeitet haben, bilden das Referenzsystem:

  • Benennen, Definieren
  • Beschreiben, Darstellen
  • Berichten, Erzählen
  • Erklären, Erläutern
  • Bewerten, Beurteilen
  • Argumentieren, Stellung beziehen

Durch kognitiv-sprachlichen Grundfunktionen als Kategorien des sprachlich realisierten Denkens ist es möglich zu bestimmen, welche bildungssprachlichen Anforderungen mit der jeweiligen Schreibaufgabe verbunden sind. Für die Entwicklung von Schreibaufgaben gilt es festzulegen, welche kognitiv-sprachliche Grundfunktion die zu verfassende Textform dominieren. So stehen in der unten genannten Schreibaufgabe für den Geschichtsunterricht in der Klasse 9 die kognitiv-sprachlichen Grundfunktionen Beschreiben und Erklären im Mittelpunkt, während in der Schreibaufgabe für den Biologieunterricht das Darstellen dominiert.

Im Fachunterricht lassen sich drei Funktionen des Schreibens bündeln:

1. Schreiben, um sich über etwas klar zu werden

Schreiben soll die Schülerinnen und Schüler darin unterstützen, ihre eigenen Denkprozesse zu organisieren und zu elaborieren. Schreiben ist hier im besten Sinne ein „Denkwerkzeug“. Die Produkte sind nicht für die Veröffentlichung bestimmt, sondern dienen allein den Schreibenden dazu, sich schreibend einen Gegenstand zu eigen zu machen und auch den eigenen Lernprozess zu überwachen bzw. diesen Prozess überhaupt für sich sichtbar zu machen. Da Lernen im Unterricht allerdings über Ko-Konstruktion erfolgt, sollten Schreibaufgaben mit dem genannten Ziel auch durch Kooperation gelöst werden.

Beispielaufgabe „Schreiben, um sich über etwas klar zu werden“

Die folgende beispielhafte Schreibaufgabe für den Geschichtsunterricht in der Klasse 7 soll dies verdeutlichen. Die Schülerinnen und Schüler sind gefordert, den eigenen Verstehensprozess einer Textquelle zu überprüfen, indem sie gemeinsam Fragen formulieren (vgl. Franken/Pertzel 2019, S.68).

„Arbeitet zu zweit und formuliert schriftlich eine Forscherfrage zum Thema 'Kolumbus erste Landung in Amerika', die ihr eurer Klasse vorstellt. Eine gute Forscherfrage ist eine Frage, auf die die Quelle keine direkte Antwort gibt. Um eine solche Forscherfrage zu beantworten, muss man weiterforschen. Geht dabei so vor:

  • Lest den Auszug aus dem Bordtagebuch des Kolumbus und stellt mindestens 10 verschiedene Fragen an den Text.
  • Formuliert eure Fragen schriftlich und beantwortet sie auch schriftlich.
  • Als Hilfe könnt ihr folgende Fragewörter benutzen: Wer? Was? Wann? Wo? Wie? Warum?
  • Vergleicht eure Fragen und die dazugehörigen Antworten miteinander. Welche Fragen lassen sich direkt mit Hilfe der Quelle beantworten? Auf welche Fragen gibt die Quelle keine direkte Antwort?

Formuliert gemeinsam schriftlich eine Forscherfrage, die ihr eurer Klasse vorstellt. Erklärt auch, wie ihr zu eurer Frage gekommen seid.“

Ziel ist es, dass die Schülerinnen und Schüler erkennen, welche Fragen sich mit Hilfe des Textes beantworten lassen und welche Fragen nicht. Außerdem erfahren sie so, dass Fragen mit Fragewörtern wie „wer“, „was“, „wann“ und „wo“ sich einfach beantworten lassen, weil sie auf Informationen abzielen, die im Text explizit gegeben sind (Low-Level-Fragen). Fragen mit Fragewörtern wie „warum“ und „wie“ hingegen erfordern es, Informationen zu verknüpfen, Inferenzen zu bilden und Schlussfolgerungen zu ziehen (High-Level-Fragen). Durch das Formulieren der Forscherfrage wird dazu angeleitet, sich vertieft mit der Textquelle auseinanderzusetzen und sie inhaltlich zu problematisieren.

2. Schreiben zur Vorbereitung von Mündlichkeit

Schülerinnen und Schülern wird durch das Schreiben zur Vorbereitung von Mündlichkeit die Möglichkeit gegeben, sich mit längeren mündlichen Beiträgen am Unterricht zu beteiligen. Durch das Notieren von Stichwörtern, Sätzen oder auch kurzen Texten, das nicht von der Lehrkraft korrigiert wird, ist die Sprache meist informell. Das Schreiben zur Vorbereitung auf Mündlichkeit kann allerdings auch auf bildungssprachliche Strukturen abzielen, wenn es um Gegenstände geht, die für den Unterricht Modellcharakter haben, so dass die Schülerinnen und Schüler die erworbenen bildungssprachlichen Strukturen auf andere Unterrichtsgegenstände übertragen können und sie befähigt werden, ihre mündlichen Beiträge zu strukturieren, bildungssprachlich zu formulieren und vorzutragen.

Beispielaufgabe „Schreiben zur Vorbereitung von Mündlichkeit“

Mit Hilfe der folgenden Aufgabe sollen Schülerinnen und Schüler der Klasse 9 für den Geschichtsunterricht den Begriff „Marshall-Plan“ in einem mündlichen Beitrag erläutern (Franken/Pertzel 2019, S. 106-107).

„Der Begriff Marshall-Plan ist eng mit der europäischen, vor allem auch mit der deutschen Nachkriegsgeschichte verbunden. Bis heute erinnern sich viele Deutsche positiv an diesen Begriff aus dem Jahr 1948. Untersucht, welche Rolle die Bezeichnung als Marshall-Plan dabei spielte.

  1. Informiere dich in deinem Geschichtsbuch über den sogenannten Marshall-Plan.
  2. Stellt euch in der Gruppe eure Ergebnisse vor.
  3. Überlegt gemeinsam, warum sich dieser Begriff für das Wirtschaftsprogramm anstelle der offiziellen Bezeichnung „European Recovery Program“ in der Bundesrepublik Deutschland durchgesetzt hat.
  4. Stellt eure Ergebnisse in einem Ein-Minuten-Vortrag der Klasse vor. Zur Vorbereitung könnt ihr das Arbeitsblatt Mündliche Beiträge vorbereiten nutzen."

Auf dem zugehörigen Arbeitsblatt finden die Schülerinnen und Schüler Formulierungen, mit denen sie ihren Beitrag strukturieren können.

  • Unsere Gruppe besteht aus …
  • Wir haben uns heute beschäftigt mit dem Thema …
  • Unsere Aufgabe war …
  • Bei der Bearbeitung sind wir folgendermaßen vorgegangen …
  • Wir sind zu diesen Ergebnissen gelangt …
  • Einig waren wir uns …
  • Schwierig fanden wir …
  • Mit der Klasse sprechen möchten wir über …
3. Schreiben zur fingierten Veröffentlichung

Um bildungssprachliche Strukturen fokussiert zu erwerben, die auf andere Texte übertragbar sind, werden Schülerinnen und Schülern Schreibaufgaben gestellt, die das Schreiben zur fingierten Veröffentlichung, also ein Schreiben für andere in einer zeitlich und räumlich zerdehnten (fingierten) Kommunikationssituation, erfordern.

Beispielaufgabe „Schreiben zur fingierten Veröffentlichung“

Das folgende Beispiel wurde für den Biologieunterricht entwickelt. Die Schreibaufgabe leitet die Schülerinnen und Schüler stärker dazu an, ausgehend von einem Verständnis biologischer Vorgänge Schlussfolgerungen für ein gesundheitsförderliches Verhalten abzuleiten (Franken,Pertzel 2019, S. 16.).

„Du sollst in einem halbseitigen Artikel für ein Jugendmagazin erklären, inwieweit Lebensgewohnheiten das Erkrankungsrisiko für Diabetes beeinflussen. Verfasse einen zusammenhängenden Text für eine Leserschaft, die sich noch nicht mit diesem Thema auseinandergesetzt hat.

Informationen für deinen Artikel findest du in deinem Buch auf den Seiten 206 und 207.

Gehe so vor:

  1. Erkläre, welche Funktion das Hormon Insulin im Körper besitzt und welche Störungen im Stoffwechsel zur Entstehung einer Diabetes führen.
  2. Stelle den Unterschied zwischen einer Diabetes Typ I und einer Diabetes Typ II dar
  3. Stelle einen Zusammenhang zwischen Lebensgewohnheiten und dem Erkrankungsrisiko für Diabetes Typ II her
  4. Gib zum Schluss Hinweise, was Jugendliche beachten können, um das Erkrankungsrisiko für Diabetes Typ II gering zu halten.
  5. Finde eine passende Überschrift für deinen Text.“

Solche Schreibaufgaben verlangen von den Schülerinnen und Schülern, einen konzeptionell schriftlichen Text zu verfassen, der theoretisch veröffentlicht werden könnte. Den Schülerinnen und Schülern müssen also die Textmerkmale ebenso wie (fachtypische) standardisierte Formulierungen. Den drei dargestellten Schreibaufgaben ist gemeinsam, dass sie die Schülerinnen und Schüler anleiten, in welchen Arbeitsschritten sie ihr Ziel erreichen können und damit auch als Modell für den weiteren Unterricht dienen können. Sie enthalten dabei ein sprachliches wie auch inhaltliches Scaffolding, um das Lernen zu unterstützen. Auch werden den Schülerinnen und Schülern Kriterien gegeben, um ihre Lösungen überprüfen zu können.

Kognitiv-sprachliche Grundfunktionen als Referenzsystem für Schreibaufgaben

Um Schreibaufgaben erfolgreich zu bearbeiten, brauchen Lehrkräfte und Schülerinnen und Schüler ein gemeinsames Verständnis davon, welche kognitiven Operationen mit welchen sprachlichen Handlungen verbunden sind, die einer Schreibaufgabe zu Grunde liegen. Wenn Schülerinnen und Schüler im Biologieunterricht die folgenden Schreibaufgabe erhalten „Erkläre die passive Immunisierung anhand des Schaubildes.“ (Franken, Pertzel 2019, S. 41), dann müssen sie wissen, was sie tun müssen, um die passive Immunisierung mit Hilfe eines Schaubildes zu erklären und wie sie dies sprachlich deutlich machen: Was macht man, wenn man erklärt?

Lehrkräfte müssen sich vorab fragen, welche Anforderungen sie an den zu schreibenden Text stellen und wie sie diese Anforderungen den Schülerinnen und Schülern transparent machen und ihnen entsprechende Hilfestellung geben. Dazu braucht es ein Referenzsystem. Die bekannten Operatoren-Listen haben sich hier als weniger hilfreich erwiesen. Zumal sie an Schulformen ohne die Möglichkeit zum Abitur auch wenig bekannt sind.

Die kognitiv-sprachlichen Grundfunktionen von Vollmer und Thürmann bilden das Referenzsystem. Vollmer und Thürmann haben dazu gemeinsam in einer Forschergruppe Curricula wie auch Vergleichsarbeiten der Sekundarstufe 1 analysiert. Durch diese fächerübergreifenden Grundfunktionen kommen in grundlegende kognitive Operationen des Unterrichts und deren verbale Realisierung simultan zum Ausdruck kommen (Thürmann/ Vollmer 2011):

  • Benennen, Definieren
  • Beschreiben, Darstellen
  • Berichten, Erzählen
  • Erklären, Erläutern
  • Bewerten, Beurteilen
  • Argumentieren, Stellung beziehen

Durch kognitiv-sprachlichen Grundfunktionen als Kategorien des sprachlich realisierten Denkens ist es möglich zu bestimmen, welche bildungssprachlichen Anforderungen mit der jeweiligen Schreibaufgabe verbunden sind. Für die Entwicklung von Schreibaufgaben gilt es festzulegen, welche kognitiv-sprachliche Grundfunktion die zu verfassende Textform dominieren. So steht in der Schreibaufgabe oben vorstellten Schreibaufgabe für den Geschichtsunterricht in der Klasse 9, die kognitiv-sprachlichen Grundfunktionen Beschreiben und Erklären im Mittelpunkt der Aufgabe, während in der Schreibaufgabe für den Biologieunterricht das Darstellen dominiert (siehe oben).

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