Logo Qualitäts- und UnterstützungsAgentur

Startseite Bildungsportal NRW

Orientierungsbereich (Sprungmarken)

1. Aufgaben und Ziele des Faches

Die alten Sprachen Lateinisch, Griechisch und Hebräisch gehören zum sprachlich-literarisch-künstlerischen Aufgabenfeld in der gymnasialen Oberstufe. Im Zentrum des Unterrichts in den alten Sprachen steht die Arbeit mit Texten, die aus der Antike und ggf. späteren Epochen überliefert sind. Die Texte berühren Grundfragen menschlicher Existenz und gesellschaftlicher Zusammenhänge und Entwicklungen. Sie haben grundlegende Bedeutung für die europäische Geisteswelt und sind angesichts eines enger zusammenwachsenden Europas von ungebrochener Aktualität. In einem Prozess des Verstehens und der dialogischen Auseinandersetzung werden die Texte in den Bewusstseinshorizont des heutigen Rezipienten überführt. Dieser Prozess wird als historische Kommunikation bezeichnet.

Im Rahmen der von allen Fächern zu erfüllenden Querschnittsaufgaben tragen insbesondere auch die Fächer des sprachlich-literarisch-künstlerischen Aufgabenfeldes im Rahmen der Entwicklung von Gestaltungskompetenz zur kritischen Reflexion geschlechter- und kulturstereotyper Zuordnungen, zur Werteerziehung, zur Empathie und Solidarität, zum Aufbau sozialer Verantwortung, zur Gestaltung einer demokratischen Gesellschaft, zur Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen, auch für kommende Generationen im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung, und zur kulturellen Mitgestaltung bei. Darüber hinaus leisten sie einen Beitrag zur interkulturellen Verständigung, zur interdisziplinären Verknüpfung von Kompetenzen, auch mit gesellschafts- und naturwissenschaftlichen Feldern, sowie zur Vorbereitung auf Ausbildung, Studium, Arbeit und Beruf.

Im Fach Lateinisch erfahren die Schülerinnen und Schüler in der Ausein¬andersetzung mit lateinischen Texten, wie die Römer in der Begegnung mit der griechischen Kultur Ideen und Erscheinungsformen in Politik und Gesellschaft, in Philosophie, Religion und Wissenschaft, in Literatur und Kunst durch produktive Anverwandlung weiterentwickelt und römisch geprägt haben. Bedeutende literarische Werke und Abhandlungen sind auf diese Weise in lateinischer Sprache entstanden und überliefert worden. Die Texte werfen Fragen auf nach Bedingungen und Ursachen der menschlichen Existenz, nach Denkmodellen und Verhaltensmustern, nach Normen und Werten und nach der historischen Relativität oder zeitlos normativen Kraft von Ideen. Die Texte eröffnen auf diese Weise die Besonderheiten der griechisch-römischen Welt und mit ihnen zugleich die in der Antike liegenden gemeinsamen Wurzeln und verbindenden Elemente der europäischen Kultur. Durch mehr als zwei Jahrtausende hindurch bis in unsere Gegenwart hinein haben die Texte die Menschen immer wieder zur konstruktiven und kreativen Auseinandersetzung herausgefordert.

Der lateinischen Sprache kommt dabei als Sprache der römischen Antike und zugleich als Basissprache der europäischen Tradition eine Schlüsselfunktion zu: Nach ihrer Blüte in der klassischen Epoche der römischen Literatur wurde sie in der Spätantike, im Mittelalter und in der Neuzeit in Europa und anderen Teilen der Welt weiterverwendet als Literatur-, Schul-, Wissenschafts-, Rechts-, Verwaltungs- und Sakralsprache. Zahlreiche Redewendungen, Inschriften und literarische Zeugnisse in lateinischer Sprache sowie Fremdwörter und Fachbegriffe gehören zum Grundbestand auch der gegenwärtigen Welt und der täglichen Kommunikation. Im Wort- bzw. Formenbestand der romanischen Sprachen, die sich kontinuierlich aus dem Lateinischen entwickelt haben, sowie im Deutschen, Englischen und in anderen europäischen Sprachen lässt sich eine Vielzahl von Elementen auf lateinische Wurzeln zurückführen. Die lateinische Sprache lebt und wirkt also in vielerlei Hinsicht in die Gegenwart hinein.

Leitziel des Lateinunterrichts ist vor diesem Hintergrund die Befähigung der Schülerinnen und Schüler zur

historischen Kommunikation.

Im Zentrum des Unterrichts steht deshalb die Beschäftigung mit lateinischen Originaltexten. Für das Verstehen dieser Texte ist eine systematische Erschließung, Übersetzung und Interpretation erforderlich. Voraussetzung dafür sind sichere Kenntnisse der semantischen, morphologischen und syntaktischen Elemente und Strukturen des sprachlichen Systems. Auf diese Kenntnisse müssen Schülerinnen und Schüler als heuristische Schemata konsequent zurückgreifen können, wenn sie mit einer für lateinische Texte typischen Oberflächenstruktur konfrontiert sind, die durch Kürze, Prägnanz oder Mehrdeutigkeit gekennzeichnet ist. Das Erschließen lateinischer Texte bedeutet folglich Problemlösung durch Hypothesenbildung, kritische Überprüfung mit Hilfe analysierender, kombinatorischer und strukturierender Verfahren und ggf. Revision. Durch das bewusste sprachkontrastive und sprachreflexive Arbeiten beim Übersetzungsprozess gelangen Schülerinnen und Schüler zu einem vertieften Verständnis für die Struktur und Funktion von Sprache überhaupt und für den Zusammenhang von Sprache, Denken, Wirklichkeit; zugleich erweitern sie ihre Ausdrucksmöglichkeiten in der deutschen Sprache. Auf diese Weise erwerben sie in hohem Maße Sprachbewusstheit und Sprachlernkompetenz und damit eine über das Lateinische hinausweisende Sprachbildung.

Bei der Interpretation der lateinischen Texte suchen die Schülerinnen und Schüler mit Hilfe zu vertiefender Kenntnisse der antiken Kultur zunächst die ursprüngliche Bedeutung und Wirkung der Texte zu erfassen, ehe sie sich mit den dort vorhandenen Denkmodellen und Verhaltensmustern unter Bezugnahme auf ihre eigene Gegenwart auseinandersetzen und eigene Standpunkte entwickeln. Unabhängig davon, ob diese Auseinandersetzung zur Identifikation oder zur Distanzierung führt, vermag sie Verständnis für andere Vorstellungswelten und Verhaltensweisen zu wecken, Einsicht in die Relativität menschlicher Anschauungen zu vermitteln und die eigene Gegenwart als Teil einer kontinuierlichen Entwicklung begreifen zu lassen. Damit fördert die Beschäftigung mit lateinischen Texten im Sinne der historischen Kommunikation die Schülerinnen und Schüler in der Entwicklung ihrer persönlichen Identität und in der Ausbildung einer von Toleranz geleiteten kulturellen und interkulturellen Kompetenz.

Der Lateinunterricht vertieft auf diese Weise die allgemeine Bildung der Schülerinnen und Schüler und ihre Fähigkeit zum wissenschaftspropädeutischen Arbeiten. Er leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Persönlichkeitsbildung.

Diesem Bildungsauftrag tragen alle Kurse des Lateinunterrichts Rechnung.

In der Einführungsphase des fortgeführten Lateinunterrichtes erfolgt zunächst eine Konsolidierung, Erweiterung und Vertiefung der in der Sekundarstufe I erworbenen Kompetenzen.

In der Qualifikationsphase führen Grundkurse in grundlegende Fragestellungen, Sachverhalte, Problemkomplexe, Strukturen und Darstellungsformen des Faches ein. Sie vermitteln und vertiefen wesentliche fachspezifische Arbeitsmethoden und lassen fachliche und überfachliche Zusammenhänge in exemplarischer Form erkennbar werden.

Leistungskurse setzen sich in vertiefter Weise mit wesentlichen, die Komplexität und den Aspektreichtum des Faches verdeutlichenden Inhalten, Theorien und Modellen auseinander. Sie zielen auf eine vertiefte Beherrschung der fachlichen Methoden, ihre selbstständige Anwendung und theoretische Reflexion und fördern die Einsicht in fachliche und überfachliche Zusammenhänge. Eine Unterscheidung zwischen Grund- und Leistungskurs findet abgesehen von einer teilweise abweichenden inhaltlichen Schwerpunktsetzung vor allem mittels der Textumfänge und ihrer sprachlichen und inhaltlichen Komplexität statt.

Der Lateinunterricht der neu einsetzenden Fremdsprache erfolgt in Grundkursen. Anknüpfend an die bisherigen Sprachlernerfahrungen der Schülerinnen und Schüler baut er Kompetenzen im Umgang mit Latein als Reflexionssprache auf und führt in grundlegende Sachverhalte, Fragestellungen und Problemkomplexe in zentralen Bereichen des Faches ein. Er vermittelt darüber hinaus wesentliche fachspezifische und überfachliche Arbeitsmethoden.

Die für den Erwerb des Latinums grundsätzlichen Regelungen und erforderlichen Kompetenzen werden durch Beschluss der Kultusministerkonferenz festgelegt. Zu welchem Zeitpunkt und ggf. durch welches Prüfverfahren diese Kompetenzen in den je nach Beginn unterschiedlichen Lateinlehrgängen nachgewiesen werden, ist durch Erlass des Ministeriums für Schule und Weiterbildung geregelt.

Zum Seitenanfang

© 2024 Qualitäts- und UnterstützungsAgentur - Landesinstitut für Schule